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Spanien: Korruptionsvorwürfe gegen Regierungschef Rajoy

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3. Februar 2013

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Spanien: Korruptionsvorwürfe gegen Regierungschef Rajoy

Dem spanischen Premier Rajoy wird die Verwicklung in eine Schwarzgeldaffäre vorgeworfen. Er will zur Entlastung seine Steuererklärungen veröffentlichen. Das hilft nicht. Spanien droht Chaos.

 
Spanien leidet an den Folgen einer absurd einfallslosen Wachstumspolitik, die auf einen Boom durch Bau von Immobilien setzte. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt über 50 Prozent und auch die Arbeitslosenquote ist auf europäischem Rekordniveau. Jetzt wurden Vorwürfe laut, dass Baulöwen über die Partei des jetzigen Staatschefs jahrelang Schmiergelder gelenkt haben sollen. Landschaftspflege. Die Vorwürfe erschüttern das Land in einer ohnehin wirtschaftlich kritischen Phase. Denn der Skandal deckt wohl mehr die Regel als die Ausnahme bei den Iberern auf.

Rajoy – Schwarzgeld angenommen und versteuert?

Auslöser für die aktuelle Krise waren Artikel in den spanischen Zeitungen „El Mundo“ und „El País“, diese hatten über einen Schwarzgeldskandal innerhalb der Partei PP von Rajoy berichtet und Fotos von handschriftlichen Notizen veröffentlicht. Zahlreiche Parteifunktionäre sollen über Jahre Schwarzgeld von deren Schatzmeistern ausgezahlt erhalten haben. Unter den angeblich Begünstigten ist auch der jetzige Regierungschef Mariano Rajoy. Dieser soll zwischen 1997 bis 2008 jedes Jahr 25.000 Euro erhalten haben. Entsprechend geriet er am Wochenende unter öffentlichen Rechtfertigungsdruck.

Der Premier wies die Anschuldigungen mit folgenden Worten zurück: »Ich habe niemals Schwarzgeld erhalten oder verteilt«.

Hunderte Demonstranten forderten am Wochenende dennoch den Rücktritt von Rajoy. Als Reaktion auf die Vorwürfe schloss Rajoy seinen Rücktritt zwar (noch) aus. Er will als Reaktion für Transparenz sorgen und seine Steuererklärungen veröffentlichen. Ein ziemlich drastischer Schritt, der die Vorwürfe allerdings kaum entkräften kann, denn niemand der Beschuldigten wird die Schwarzgeldzahlungen versteuert haben. Denkbar wäre lediglich, dass sich Rajoy darauf beruft, über die Herkunft der Gelder nichts zu wissen. Dann wäre er politisch lediglich naiv.

Korruption in Spaniens Königshaus

Gegen den Schwiegersohn von König Juan Carlos, Iñaki Urdangarin, wird ebenfalls seit Monaten ermittelt. Der ehemalige Weltklassehandballer soll als Präsident einer gemeinnützigen Stiftung Steuergelder der Regionalregierungen auf den Balearen in Millionenhöhe unterschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft auf Mallorca lässt sich von dem prominenten Namen des Beschuldigten offenbar nicht abhalten und befragte Urdangarin in diesen Tagen zum zweiten Mal zur Sache.

Urdangarin und sein ehemaliger Geschäftspartner Diego Torres Perez, der ebenfalls beschuldigt wird, mussten eine millionenschwere Kaution hinterlegen. Das Königshaus ist längst auf Distanz gegangen zum Sohn der Infantin Cristina. Dieser nimmt nicht mehr an offiziellen Terminen teil und im Internet findet man auch auf der Homepage der königlichen Familie wurde er auch verbannt. Die Stadt Palma will laut Agenturmeldungen, dass Urdangarin den Titel Herzog von Palma ablegt. Urdangarin trägt den Titel nicht aus eigenem Recht, sondern aufgrund seiner Ehe mit der Königstochter, der Herzogin von Palma.

Immobilienmarkt

Inzwischen sind die Immobilienpreise in Spanien auf einem niedrigeren Niveau und dadurch die Bilanzen der Banken schwer belastet. Es klafft eine Lücke zwischen ursprünglicher Bewertung und den aktuell erzielbaren Verkaufspreisen. Der Bedarf an Abschreibungen soll 2012 laut der US-Ratingagentur Fitch bei 65 Prozent gelegen haben. Spanien hat auch ein Mengenproblem: Im Land stehen 800.000 Immobilien leer. Dabei handelt es sich vor allem um Ferienimmobilien.

Durch den hohen Abschreibungsbedarf auf Kredite ergab sich die Notwendigkeit, die spanischen Banken mit fast 100 Milliarden Euro zu stützen. Zudem sitzen immer noch viele private Immobilienkäufer – die Situation ist insofern vergleichbar mit der 2008/9 in den USA – auf den zu hohen Krediten bei drastisch schlechteren Chancen am Arbeitsmarkt. Ein Problem sind zudem die Gesetze, die in Not geratene Immobilienbesitzer zusätzlich drangsalieren.

Politische + wirtschaftliche Folgen

Es ist kaum denkbar, dass ein Regierungschef in Europa – mit der Ausnahme Italien – mit solch einem massiven Vorwurf lange an der Regierung bleiben kann. Er ist entweder politisch nicht mehr zu weiteren Reformen fähig, oder er ist zu sehr mit eigenen Scharmützeln beschäftigt. Man darf gespannt sein, wie die nächsten Tage in Spanien verlaufen. Sollte es Rajoy nicht schnell gelingen, die Vorwürfe zu entkräften, dann ist er nicht mehr regierungsfähig. Dem Land droht dann eine weitere Phase des politischen Vakuums.

Aber Spanien hat noch Hoffnung; die ermittelnden Staatsanwälte. Anders als unter Berlusconi in Italien oder in Griechenland scheinen spanische Staatsanwälte sich nicht einschüchtern zu lassen. Die Vorwürfe gegen die Parteispitze der PP kamen zwar erst in Gang als aus der Schweiz Hinweise über Geldverschiebungen kamen, aber dann zeigten die Juristen Wadenbeißerqualitäten.

Spaniens zehnjährige Staatsanleihen rentieren derzeit mit akzeptablen 5,21 Prozent. Das ist eine Folge der Stabilisierungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank EZB. Zuletzt hatte zudem der Euro stark zugelegt. Man wird sehen, wie sich eine neuerliche Krisenverschärfung in Spanien auf die Zinsen und den Eurokurs auswirken.

Die neuerlichen Korruptionsvorwürfe kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, denn die Regierung hatte zuletzt mit einem Konjunkturpaket ein leichtes Pflänzchen der Hoffnung verkündet. Auch wenn die nackten Zahlen der Vergangenheit immer noch eine andere Sprache sprechen. Im vierten Quartal 2012 meldete das nationale Statistikamt INE zuletzt einen Rückgang um 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Artikelbild: Wiki Commons. Freie Lizenz.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.