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Rudolf Hickel: Zerschlagt die Banken

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2. April 2012

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Rudolf Hickel: Zerschlagt die Banken

Großbanken haben nichts aus der Finanzkrise gelernt. Sie nutzen ihre Macht, um die Politik zu manipulieren und blockieren wichtige Regulierungen. Meint Rudolf Hickel in seiner Streitschrift.

Das Buch ist ärgerlich. Man würde dem Autor gerne zustimmen mit seinen Anliegen, aber so einfach wie Hickel darf man es sich bei dem Thema nicht machen. Bei einem solch provokanten Titel sind immer zuerst einige Fragen zu stellen: Wer ist die Zielgruppe? Was soll damit erreicht werden? Um die Antwort vorweg zu nehmen: Das Buch ist  für glühende Anhänger der Regulierung gedacht, die noch einige Argumente zusammengefasst sehen wollen. Das Buch ist nicht geeignet für eine breite Debatte mit Managern aus der Finanzbranche.

Die Grundthese des Buches lautet: Die Großbanken haben aus der Finanzkrise 2008 nichts gelernt. Rudolf Hickel fordert daher ihre demokratische Kontrolle und ein Verbot der von der realen Wirtschaft entkoppelten Finanzmarktprodukte. Geschäftsbanken und das Investmentbanking sollen getrennt werden. Falls sich die Banken weigern, müssen sie im Zweifel  verstaatlicht werden. Die Entmachtung der Banken und Finanzmärkte ist für Hickel notwendig für die Rückgewinnung des Primats der Politik über die Wirtschaft. Soweit so gut und konsensfähig.

Wie fast alle Volkswirte fremdelt Professor Hickel mit dem Treiben auf den Finanzmärkten. Leider sind seine Thesen an einigen Stellen nur eine Zusammenfassung von Vorurteilen, die der Wissenschaftler ganz unwissenschaftlich nicht ausreichend belegt oder diskutiert. Der ärgerlichste Fehler unterläuft Hickel in einer zentralen Aussage. Auf Seite 43 des Buchs steht zu lesen: „Der Skandal ist offensichtlich: Während die Hedgefonds Vermögen im Umfang von 1917,4 Billionen US-Dollar in 2010 unter ihrem Dach zu verantworten hatten – mehr als das Dreißigfache des Weltsozialprodukts – fehlt es an primitivsten Regeln zu deren Zielsetzung und deren Geschäftsmodellen.“

Hinweis: Professor Hickel weist (3.4.2012) darauf hin, dass er diese Passage inzwischen bei neueren Auflagen geändert hat. „Der Weltproduktion mit etwa 65 Billionen US$ steht ein Vermögen unter dem Dach von Hedgefonds Anfang 2012 mit 2.260 Mrd. US gegenüber.“

US-amerikanische Billionen sind Milliarden. Da er seine Argumentation auf die angebliche Größe der Hedgefonds aufbaut, kann man seiner Argumentation nicht wirklich folgen. Richtig ist: Die Gesamtverschuldung Deutschlands ist mit über 2000 Milliarden Euro (zwei Billionen Euro) höher als das Anlagevolumen aller Hedgefonds weltweit. Auch an anderer Stelle wurde offenbar nicht so genau hingesehen: So wurde ein Spiegel-Online-Interview mit James Tobin (Seite 107) vom Jahr 2001 in das Jahr 2011 verlegt. Das Problem: Nobelpreisträger James Tobin verstarb im Jahr 2002. Solche Ungenauigkeiten sind ärgerlich, da sie den Leser vom Kern des Buches ablenken und an der Qualität der Analyse zweifeln lassen.

„Zerschlagt die Banken – entmachtet die Finanzmärkte. Ein Streitschrift.“ wurde offenkundig mit heißer Nadel gestrickt. So hätten dem Buch auch mehr Zwischenüberschriften, Fettungen und andere Hervorhebungen geholfen. Die vorhandenen interessanten Ansätze im Buch sind da nur für den vorher bereits gut informierten Leser sichtbar. So formuliert Hickel beispielsweise durchaus kritisch in Richtung Anhänger der Finanzmarkttransaktionssteuer, dass die Neuordnung der Finanzmärkte mehr als nur eine neue Steuer benötigt. Auch die Landesbanken nimmt Rudolf Hickel unter Beobachtung. Hier wäre es allerdings hilfreich gewesen, von ihm zu erfahren, wie er zukünftig die Aufsichtsratsstruktur der Banken dem schädlichen politischen Einfluss und der Zockmentalität der Politiker entziehen will.

Schade: Rudolf Hickel nimmt sich in seinem Buch einfach zu viel vor und scheitert daher. Informierte wird das Buch kaum weiterbringen. Kritiker des Finanzsystems allerdings finden ihre Vorurteile schön zusammengefasst. Ein Streitschrift hätte in die Analyse den Einfluss des Staates und der Politiker nicht gänzlich als wichtigen Krisenfaktor ausklammern dürfen. Denn verstaatlichte Banken helfen nur wenig, solange Politiker gerne mal einen Extra-Euro herauszocken wollen. Beispiele gefällig: Bayernstiftung, Berliner Verkehrsbetriebe, WestLB, HSH Nordbank, SachsenLB, Derivategeschäfte der Kommunen usw.

Fakten zum Buch

Zerschlagt die Banken. Entmachtet die Finanzmärkte. Eine Streitschrift
Autor: Rudolf Hickel
ISBN: 978-3-430-20141-4
Seiten: 224
Erscheinungsdatum: Februar 2012
Art: gebunden
Preis: 14,99 €

Über den Autor

Copyright: Privatfoto R. Hickel

Prof. Dr. Rudolf Hickel ist emeritierter Professor für Politische Ökonomie und Finanzwissenschaften. Bis 2009 war er Direktor des IAW – Instituts für Arbeit und Wirtschaft. Hickel ist Sachverständiger beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestags sowie Mitbegründer der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“, die jährlich das Alternativgutachten zum „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ vorlegt. Er hat als stimmberechtigter Schlichter bei Tarifverhandlungen gewirkt und schreibt für die taz, die Frankfurter Rundschau, das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung. Rudolf Hickel ist Mitglied in mehreren Aufsichtsräten und wissenschaftlicher Beirat von Attac.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.