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Jim McTague: Glücksspiel Börse?

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15. November 2012

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Jim McTague: Glücksspiel Börse?

Am 06. Mai 2010 saßen weltweit Trader und Börsenmakler vor ihren Bildschirmen und verfolgten in Schockstarre, was sich da vor ihren Augen abspielte:


 
Der S&P 500 verlor in nur sechs Minuten sechs Prozent an Wert, der Dow Jones Industrial Average sogar über neun Prozent. Der Tag ging als Flash Crash in die Geschichte der Finanzmärkte ein und sorgte für zum Teil wilde Spekulationen über die Gründe hinter den Ereignissen. Eine der Vermutungen: Ein Händler könnte sich um mehrere Zehnerpotenzen vertippt und damit eine Verkaufslawine ausgelöst haben. Die Hauptbeteiligten waren jedoch nicht Menschen aus Fleisch und Blut, sondern Computerprogramme, die stur nach den programmierten Parametern agierten.

Diese Technisierung der Börsen, der sogenannte Hochfrequenzhandel, stößt immer häufiger auf Kritik. Im Sekundentakt werden Positionen ge- und gleich wieder verkauft. Der ursprüngliche Zweck von Aktienmärkten, vielversprechenden, gut arbeitenden Unternehmen zu Kapital und dem Anleger zu profitablen Investitionsmöglichkeiten zu verhelfen, wird damit immer weiter verwässert. Auch die Störanfälligkeit solcher Handelssysteme gerät in der letzten Zeit häufig in die Kritik. Zuletzt erregte der Fall von Knight Capital Aufsehen, die durch einen Softwarefehler 440 Mio. Dollar Verlust in nur 45 Minuten verbuchen mussten.

Flash Crash 2010

Doch das gravierendste Ereignis im Zusammenhang mit dem Hochfrequenzhandel ist weiterhin der Flash Crash von 2010. Diesen Crash hat Jim McTague in seinem Buch „Glückspiel Börse?“ minutiös untersucht und zeigt, wie technikbesessene Trader in Kombination mit ahnungslosen Regierungsbehörden aus dem Aktienmarkt ein Spielkasino gemacht haben.

McTage beschreibt, wie der US-Kongress und die Börsenaufsicht ab Anfang der 1970er Jahre am Aktienmarkt Gott gespielt und sich aufgemacht haben, ein Paradies für langfristige Anleger zu schaffen – und dabei unabsichtlich den Markt ruinierten. In ihrer Überzeugung, durch die Automatisierung würden die Märkte gerechter und effizienter, schufen sie die Voraussetzungen für den Flash Crash und verwandelten eine der effizientesten Kapitalverteilungs- und Arbeitsplatzschaffungs-Mechanismen in eine Spielwiese für den Hochfrequenzhandel und seine Akteure, die sogenannten Algorithmus-Trader.

Folgen der Eingriffe

Im volatilen Marktumfeld der Finanzkrise zeigten sich dann 2010 die Folgen der Eingriffe. Die Anleger, die sich seit 2008 in sicherere Häfen, wie Gold, Rohstoffe und Staatsanleihen zurückgezogen hatten, wagten sich seit Anfang 2010 langsam wieder an Investments in Aktien heran, wohl auch aus der Angst heraus, den Aufschwung der Märkte zu verpassen, wenn man nicht rechtzeitig zurückkehrt. Doch so ganz trauten sie dem Frieden nicht. Die Atmosphäre war geprägt von Nervosität und Zurückhaltung. Am 06. Mai 2010 um 14:30 New Yorker Zeit geschah es dann: Der DJIA sackte innerhalb von 10 Minuten um über 700 Punkte ab – und begann direkt danach sich wieder zu erholen. Bis heute ist die Schnelligkeit, mit der der Crash ablief ebenso mysteriös wie alarmierend. In der Folge zogen sich die gerade erst zurückgekehrten Privatanleger wieder zurück und sorgten damit für eine weitere Schwächung der Märkte.

Fazit

Jim McTague zeichnet den Flash Crash vom 06. Mai 2010 detailliert und spannend nach und zeigt eindrucksvoll, wo die Probleme und Gefahren des Algo-Trading vor allem für Trader und Anleger liegen. Denn auch wenn die Volatilität, die die Märkte seit einigen Jahren beherrscht, für Day-Trader und Scalper durchaus vorteilhaft sein kann, gegen die Computer und ihre Prozessoren haben auch sie keine realistische Chance.
 

Fakten zum Buch

Glücksspiel Börse? Wie Hochfrequenz-Trader und überforderte Kontrolleure die Börse in ein Kasino verwandelt haben
Autor: Jim McTague
ISBN: 978-3-864700-42-2
Seiten: 302
Erscheinungsdatum: 28.09.2012
Art: gebunden
Preis: 24,90 €

Über den Autor

Jim McTague ist seit 1994 Washingtoner Redakteur für die führenden US-amerikanischen Finanzzeitschrift Barron’s. Seit den Regierungszeiten von George Bush sen. ist er ein angesehener Korrespondent im Weißen Haus und im Kapitol. McTague ist gefragter Finanzexperte und tritt regelmäßig bei NBC, CNN, CNBC, MSNBC und FOX auf.
 
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