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Herausforderungen: Altersvorsorge in Europa

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5. Mai 2012

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Herausforderungen: Altersvorsorge in Europa

Die Logik ist einfach. Wir werden älter und weniger, daher müssen wir länger arbeiten. Das wirkt für viele Jüngere wie eine Rentenkürzung und Populisten springen gerne auf. Was bei uns jedoch relativ lautlos über die Bühne ging, steht anderen Ländern noch bevor.

Europa muss insbesondere im Süden noch Reformen der Altersvorsorgesysteme anpacken. Italien hat das kostspieligste Alterssicherungssystem überhaupt. Etwa 30 Prozent der Gesamtausgaben des Staatshaushalts gehen für Renten und Pensionen drauf – in Deutschland sind etwa 20 Prozent des Haushalts für die Rente reserviert. Beide Systeme sind umlagefinanziert, leben also sozusagen von der Hand in den Mund.

Mit Aufwendungen von 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist Italien bezogen auf die Wirtschaftsleistung fragwürdiger Weltmeister. Für die Einzelnen, die davon profitieren ist das zwar prima, aber auf Dauer funktioniert so etwas schlicht nicht. Die Italiener erhalten zurzeit Bezüge von etwa drei Viertel ihres Nettoeinkommens. Nur Länder wie Griechenland und Spanien waren großzügiger. In Deutschland geht man stramm auf Altersbezüge zwischen 45 und 55 Prozent zu. Das hängt an der eigenen Erwerbsbiografie und dem System. Natürlich müssen durchschnittlich verdienende Deutsche private Vorsorge betreiben, zumal vielen Arbeitnehmern im Alter teure Pflege droht. Oder man wird für zwei Legislaturen Bundestagsabgeordneter.

Italien

Italien hat laut Dieter Bräuninger von Deutsche Bank Research die längsten Ruhestandszeiten – Zeiten nach dem aktiven Arbeitsleben. Man wird älter als anderswo. Nur Frankreich und Luxemburg können da mithalten. All das kostet Geld und macht Reformen notwendig. Gerade in Italien sind Veränderungen notwendig und erste Schritte wurden getan. Erst kürzlich warnte der IWF die Industrieländer und forderte Reformen. Das Renteneintrittsalter muss vielerorts angehoben werden. In Spanien führte Zapatero 2011 die Rente mit 67 ein und musste gehen.

Langfristig wird man auch in Italien die Bezüge an die tatsächlichen Einzahlungen anpassen müssen. Dort ist es beispielsweise üblich, Mitarbeiter am Ende der Lebensarbeitszeit noch einmal zu befördern, da dadurch die Basis der Rente steigt. Die Kosten trägt ja die Gesellschaft. Immerhin hat man in Italien jetzt den Zeitraum der Berechnung der Durchschnittsbezüge von fünf auf zehn  Jahre verlängert. Das dürfte jedoch nicht reichen.

In Deutschland gibt es ein Punktesystem, das die Einzahlungen umrechnet und so eine Koppelung vornimmt. Zwar kritisieren manche politische Aktivisten das System als ungerecht, aber etwas grundlegend besseres hat noch keiner vorgelegt. Erfreulich ist auch, dass zumindest die Bundeskanzlerin an der Stelle nicht wackelt. „Es führt kein Weg daran vorbei. Wir brauchen ein ausgewogenes System, in dem den Jungen nicht zu viel Last auferlegt wird“, sagte Merkel im Mai auf dem Deutschen Seniorentag 2012.

Politische Einmischen ist angesagt

Politiker müssen noch lernen, wie man diplomatisch auf andere Länder einwirkt, denn über den Euro und zukünftig Fiskalpakte sind wir alle gemeinsam im europäischen Boot und die einen müssen die Sünden der anderen finanzieren. Es ist nicht einzusehen, weshalb beispielsweise deutsche Arbeitnehmer im Jahr 2050 bis 70 arbeiten sollen, während in in anderen Ländern notwendige Reformen verweigert werden. Das hatte Angela Merkel auf einer Wahlkampfveranstaltung im Jahr 2011 mal thematisiert. Der Aufschrei war groß. Auch das Einfordern und Umsetzen notwendiger Reformen gehört künftig zu Europa.

Die größten Probleme in den Altersvorsorgesystemen in der EU treten nach Schätzungen der Europäischen Kommission zwischen 2025 und 2040 auf. Spanien und Griechenland könnten schon im aktuellen Jahrzehnt in Probleme geraten. Viele Länder haben bereits reagiert und versuchen gegenzusteuern. Aber nicht nur umlagefinanzierte Systeme kommen in Probleme, sondern auch kapitalgedeckte Renten kranken unter Investments in eigene Staatsanleihen, die jetzt auszufallen drohen, wie zuletzt in Griechenland. Aus Anlegersicht sind solche Investments eindeutig falsch konzipiert, da diese ein sogenanntes Klumpenrisiko (zu viele Eier im gleichen Körbchen) bedeuten. Es gehört zur Verantwortung der Regierungen, den eigenen Bankrott rechtzeitig zu verhindern. Griechenland stolpert aktuell von einem Problem in das Nächste.

Report DB Research (Juli 2011)

Kommentar Dieter Bräuninger November 2011.

Artikelbild: Titanic. Wiki Commons.

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.