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ESM – Die Verfassungsfrage

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10. September 2012

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ESM – Die Verfassungsfrage

Dürfen Gesetze erlassen werden, die über die Legislatur Budgets binden? Darum geht es in Karlsruhe. Die anderen Details sind Randthemen.

 
Das Bundesverfassungsgericht soll ein Gesetz stoppen, welchem nach Auffassung der Gegner die demokratische Legitimation fehlt. Derweil machte ein spitzfindiges juristisches Gutachten der wissenschaftlichen Dienste des Bundestags die Runde. Darin wird auf sieben Seiten erklärt, dass die Risiken steigen, aber formaljuristisch eine Haftung für andere Länder nicht gegeben sei.

Über Zeitdruck und Erpressung

Um es einfach zu formulieren: Die Verfassungsrichter sollten bessere Argumente anführen, denn die Demokratie leidet. Sie leidet unter einer Regierung, die trickst und das Parlament hinter die Fichte führt. Kurz vor der mündlichen Verhandlung durch das Bundesverfassungsgericht wurde der Druck auf die Parlamentarier damit begründet, dass ohne eine Verabschiedung des Gesetzes die Welt untergeht. Nichts ist passiert, seit sich die Verfassungsrichter Zeit ausbedungen haben.

Genauso würde eine Zurechtweisung aus Karlsruhe, die den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vorerst stoppt, die Märkte vielleicht bewegen, aber das darf die Richter nicht stören. Zu häufig hatten Politiker bislang diese falsche Logik für Sonntagsgipfel ausgegeben.

Wird die Verfassung mit den Gesetzen zum ESM gebrochen?

In der Sache ist der Verfassungsbruch gar nicht mal so einfach zu beweisen. Schließlich, das liegt in der Natur von politischen Entscheidungen, binden viele Subventions- und andere Entscheidungen künftige Regierende und die finden das oft gar nicht gut. Das gilt für die Energiewende genauso wie den Bau von Prachtpalästen oder sagen wir Bahnhöfen. Richtig ist: Politik ohne Bindungskraft über die Periode hinweg, ist heutzutage schlicht nicht mehr möglich. Würden Politiker ihren Job jedoch ernst nehmen, würden die relevanten Entscheidungen häufiger mit Einbeziehung der Opposition stattfinden und im Parlament mit wechselnden Mehrheiten regieren. Übrigens: Angela Merkelt hat in der ESM-Frage schon längst die Kanzlerinnen-Mehrheit verloren.

Was Karlsruhe fordern könnte

Der einzige Unterschied hier bei ESM  ist, dass finanzielle Mittel für Probleme ausserhalb des eigenen Landes ausgegeben werden sollen. Dabei gibt es Alternativen, die keinen ständigen Rettungsmechanismus auslösen. So könnte Karlsruhe neben Auflagen der Parlamentsbeteiligung auch fordern, dass der ESM in besseren Zeiten wieder eingestampft wird.

Es wäre notwendig, dass die Karlsruher Richter das Stoppschild unmissverständlich hochhalten – entweder sofort oder für die nächsten Angriffe aus den anderen Staaten. Die Richter könnten zudem Informationsrechte einfordern. Die Troika beispielsweise baut ihre Analysen auf griechische Daten und Informationen auf. Diese mögen zurzeit die Lage richtig beschreiben, aber ist das auch in fünf Jahren noch zu erwarten? Wer prüft das? Haben deutsche Parlamentarier ein Auskunftsrecht gegenüber dem griechischen oder sagen wir dem französischen Staat? Dürfen Italiener in die deutschen Bücher schauen, wenn Italien bei 80 und Deutschland bei einer Verschuldung von 120 Prozent liegt? Es gibt Vieles zu überlegen. Ein einfaches Abnicken ist keine Alternative. Das wissen auch die Verfassungsrichter.

Artikelbild: Bundesverfassunggericht. 2. Senat.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.