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Was machen eigentlich Geierfonds?

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5. Oktober 2012

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Was machen eigentlich Geierfonds?

Hinter Geierfonds verbergen sich rationale, aber unbeliebte Investoren. Sie pochen auf ihr Recht und spielen eine eigene Rolle bei Schuldenschnitten oder Restrukturierungen von Unternehmen. Unschön, aber legal.


Zunächst muss man kurz definieren, was sich hinter dem Begriff eigentlich verbirgt: Geierfonds (englisch vulture fund) sind Investmentfonds (Hedgefonds) mit einer besonderen Strategie. Diese Vehikel kaufen Wertpapiere mit hohen Abschlägen zum Nominalwert, um daraus einen legalen Profit zu ziehen.

Wiki Commons: Gänsegeier. Jörg Hempel.

Mit verschiedenen Methoden versuchen diese Fonds später die Gläubiger zum Zahlen ihrer Schulden zu zwingen. Die Bezeichnung Geierfonds bezieht sich auf diese legalen, aber oft als moralisch verwerflich bezeichneten Methoden der Fondslenker. Geierfonds zeigen sich wenig kooperativ bei Schuldenschnitten und kreisen sozusagen über ihren Opfern wie Geier. Gelingt der Ankauf eines Wertpapiers (Nominalwert 100) zum Preis von 100, dann genügt eine Rückzahlquote von 20 Prozent zu einem Gewinn von 100 Prozent.

Auf der anderen Seite funktionieren diese Strategien oft nur wegen Fehlern in Prospekten und nicht ausreichenden Ausweichstrategien der Schuldner, die beispielsweise nicht korrekt den Bankrott erklären: So hat man bei Griechenland auf den „sozusagen totalen“ Bankrott verzichtet, weil man den Euro schützen wollte. Stattdessen wurden Gläubiger zu einem „freiwilligen“ Zwangsschnitt gezwungen. Gegenstrategien und Klagen könnten daher Erfolg haben.

Spektakuläre Attacken

Wiki Commons: C. Kirchner.

Gelegentlich gibt es im Zusammenhang mit Geierfonds spektakuläre Ereignisse: So wurde das Pleiteland Argentinien schon häufiger von Gläubigern attackiert. So versuchten 2010 deutsche Rechtsanwälte bei einem Besuch der argentinischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner auf der Frankfurter Buchmesse eine Pfändung für private Gläubiger durchzuführen. Dabei kommt es dann meist zu Schwierigkeiten, da beispielsweise Flugzeuge geleast sind oder aus diplomatischer Höflichkeit Rücksicht auf Staatsgäste genommen wird. In der Süddeutschen Zeitung kommentierte der Rechtsanwalt Bernd Jochem: „Eine Taschenpfändung wäre noch möglich bei Frau Kirchner, um die Reisespesen zu pfänden“. Für einen solchen eher undiplomatischen Schritt könne man aber nur schwerlich einen Gerichtsvollzieher auftreiben.

Wiki Commons: Libertad.

Zuletzt wurde das Segelschulschiff Libertad, ein 103 Meter langer Dreimaster der argentinischen Marine in Ghana Anfang Oktober 2012 von einem Hedgefonds festgesetzt. Der Elliott Management Fonds von Paul Singer streitet mit Argentinien über 1,6 Milliarden US-Dollar. Viele andere Schuldner hatten sich mit dem Land auf eine Quote von 30 Prozent geeinigt. Um das Schiff auszulösen soll Argentinien zehn Millionen Dollar zahlen. Bei diesen Aktionen geht es weniger um die Reduktion der Gesamtschuld, sondern mehr um Aufmerksamkeit.

Sogar der Vatikan hat sich bereits Mitte 2010 zum Thema Geierfonds und seiner unmoralischen Konzeption geäußert. Silvano Maria Tomasi, Vertreter des Vatikan bei der UN in Genf sagte 2010 im Radio Vatikan: »Geierfonds gehörten abgeschafft, denn sie machen Länder noch ärmer und jegliches Wachstum wird zerstört.« Der Erzbischof erinnerte zudem daran, dass ein solcher Fonds seinen Namen „dem Vogel verdankt, der die Kadaver anderer Tier zerfleischt oder dann angreift, wenn ein Tier kurz davor ist zu sterben“.

Artikelbild: Wiki Commons, Lammergeier. J.M.Garg. Die Fotos aus Argentinien sind gemeinfrei.
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.