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Film über Mehmet E. Göker: Wie Vertrieb wirklich funktioniert…

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8. März 2012

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Film über Mehmet E. Göker: Wie Vertrieb wirklich funktioniert…

Vertrieb funktioniert so. Carsten Maschmeyer hat es getan und Mehmet Göker ebenfalls. Dabei geht es um Motivation und niederste Instinkte. Davon wollen die Versicherer nichts wissen, wenn sie auch die so erzielten Umsätze gerne in ihre Bücher nehmen. Der Versicherungsvertreter – ein Film über Mehmet Göker und Vertrieb. 

Der Mann haut Kalendersprüche raus und klingt wie ein Philosoph: „Wer seine Grenzen nicht kennt, hat auch keine.“ Mehmet Göker fühlte sich als absoluter Herrscher über ein sektenähnlich aufgebautees Vertriebsimperium in Kassel. Der Film zeigt den Aufstieg und den Fall des türkischstämmigen Jungunternehmers.

Er wollte mehr als „nur einen Krümel vom Kuchen abhaben“: Mit 25 verdiente Mehmet E. Göker, Migrationshintergrund, mit dem Vertrieb privater Krankenversicherungen am Telefon seine erste Million. Einen Buchstaben im Namen (das E.) haben nur wirklich erfolgreiche Menschen. Göker machte aus seinen Kürzeln den Namen seines Unternehmen, der MEG AG. Zunächst klappt alles prima: Die MEG wächst, die Umsätze steigen und neue Mitarbeiter werden mit der Aussicht auf großzügige Provisionen gelockt. Die Motivation erfolgte über Incentive-Reisen nach Jamaika oder auf die Malediven. Die Vertriebler waren stolz auf ihre Ferraris. Jubelveranstaltungen gehörten zum Geschäftsmodell und manche bizarre Aktionen wie Tätowierungen des Unternehmensnamens auf den Unterarm ebenfalls.

Man benötigt kein Drehbuch, wenn man wie der Dokumentarfilmer Klaus Stern ein gute Geschichte zu erzählen hat:  Scripted Reality war gestern. Der Versicherungsvertreter ist besser.

Vielleicht bezog Guido Westerwelle aus einem Treffen mit Göker tiefere Einblicke in die „spätrömische Dekadenz“, als er am 18. August 2009 mit einem Helikopter zu einem Treffen mit dem Versicherungsmann geflogen wurde. Göker sprach von einem „tollen Abend“ (Stern). Zu dem Zeitpunkt stand die MEG AG jedoch schon vor dem Aus. Über private Krankenversicherungen und deren Vertriebsmethoden hätte Westerwelle auch etwas lernen können, aber darum ging es ihm wohl damals nicht.

Die Fakten: Der Film berichtet, dass die Vertriebler bis zu 8.000 Euro (bis zu 14,4 Monatsbeiträge als Provision) erhielten für den Abschluss eines Vertrages. Gökers Unternehmen war zeitweise der zweitgrößte Vermittler von privaten Krankenversicherungen in Deutschland. Ende 2009 war der Versicherungsmann pleite, verkaufte seine Firma für einen symbolischen Euro. Das System des Strukturvertriebs war schon 2007 ins Wanken geraten, weil der Verdacht der Scheinselbstständigkeit der Mitarbeiter aufkam und die Firma 720.000 Euro zahlen musste. Die MEG erhielt von den Versicherungsunternehmen Vorschüsse und der Erfolgsdruck stieg weiter. Zu viele Stornos und damit Rückerstattungen an die Versicherer fielen an. Die über 1.000 Mitarbeiter lieferten offenbar zu viele faule Geschäftsabschlüsse oder die Ausgaben waren zu hoch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Göker wegen Untreue, Insolvenzverschleppung und unlauterem Wettbewerb.

Angeblich hat Mehmet Göker inzwischen 21 Millionen EUR private Schulden. Aber ein Mehmet Göker gibt nicht auf:  Die „Göker Consulting Group“ gehört seiner Mutter und er arbeitet dort nur noch als Angestellter.

Man kann Vieles über Göker schreiben oder vermuten: Aber Vertrieb kann der Mann. Die Versicherungsbranche will seine Methoden im Nachhinein nur nicht wahrhaben. Zu viele Skandale um Lustreisen und andere Exzesse stören das mühsam aufgebaute seriöse Image der Branche. Göker gehört auch dazu.

Film im Kino anschauen.

Buch und Regie: Klaus Stern
Montage: Friederike Anders,
Kamera: Harald Schmuck,
Zusatzkamera: Stefan Pape, Patrick Hamelmann, Jan Block, Sassan Haschemi, Andreas Nordlohne,
Musik: Michael Kadelbach, Raffaela Jungbauer,
Transskription: Bastian Ludwig, Sarah Zimmermann, Frauke Lodders,
Mischung und Sounddesign: Erik Mischijew,
Farbkorrektur: Matthias Behrens,
Redaktion: Petra Nagel (WDR)

STERNFILM
WDR
Gefördert mit Mitteln der Hessischen Filmförderung.
D 2011, 79 Min., ©sternfilm

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Ein älterer Spiegel-TV-Beitrag über den Aufstieg und Fall des Mehmet Göker. Mit einigen interessanten Einsichten von Göker.

Artikelbild: MEG Party in Melsungen 2007, v.l.n.r.: Frank Kettnaker, Vertriebschef der Alten Leipziger / Hallesche; Oliver Kuhlmann, Vertriebschef der Gothaer; Mehmet E. Göker, Gernot Schlösser, AXA-Vorstandschef (m); Bernhard Lüneborg, Vertriebschef der Hallesche Krankenversicherung Roland Zimmer, Chef der AXA Krankenversicherung: sternfilm// © Ulf Schaumföffel
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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.