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Die Demokratisierung des Crowdfunding: Indiegogo kommt nach Deutschland

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31. März 2014

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Die Demokratisierung des Crowdfunding: Indiegogo kommt nach Deutschland

Im Jahre 2008 gegründet, gehört Indiegogo zu den Pionieren des Reward-Based Crowdfunding. Mittlerweile kann die Plattform auf stolze 190.000 Projekte zurückblicken. Mit 40 Millionen Dollar im Gepäck kommt Indiegogo nun nach Europa, um die Internationalisierung voranzutreiben. Darum kümmert sich bei Indiegogo Liz Wald, Head of International. Während ihres Besuchs in Berlin hat Liz Wald in unseren Büros haltgemacht. Wir haben uns mit ihr über die Crowdfunding-Unterschiede zwischen Europa und den USA, Indiegogos Ziele und Lieblingsprojekte unterhalten.

Liz Wald

Liz Wald

Momentan scheint in den USA Reward-Based Crowdfunding zu dominieren, während in Deutschland eher Crowd-Lending betrieben wird. Sehen Sie das auch so?

Liz Wald: Crowd-Lending steckt in den USA bislang in den Kinderschuhen. Wie Sie wissen, gibt es in den USA den JOBS Act. Während es bislang nur bestimmten und vor allem wohlhabenden Anlegern vorbehalten war, in Unternehmen zu investieren, kann es nun dank dieses neuen Gesetzes jeder tun. Der JOBS Act erlaubt jedem, sich mittels Crowdfunding am Wachstum eines Unternehmens zu beteiligen. Die Botschaft von Indiegogo ist: Wir möchten Crowdfunding demokratisieren. Wir möchten es jedem ermöglichen, zu investieren. Nicht nur denjenigen mit einem überdurchschnittlichen Einkommen. Unser CEO Slava Rubin und die Mitbegründerin der Plattform Danae Ringelmann unterstützen den JOBS Act, doch es kann noch einige Zeit dauern, bis das Gesetz in seiner Gänze umgesetzt wird. In der Zwischenzeit wollen wir Projekte unterstützen, indem wir Leuten die Möglichkeit geben, Reward-Based Crowdfunding zu betreiben. Und wir haben schon oft erlebt, dass Projekte über unsere Plattform ein paar Tausend Dollar eingesammelt und dadurch auch große Investoren auf sich aufmerksam gemacht haben.

JOBS Act

Laut US-Wertpapiergesetz durften bislang nur die sogenannten eingetragenen Investoren in Private Equity, Venture Capital, Hedgefonds und Private Placements investieren. Dies konnten beispielsweise Personen sein, die ein Vermögen von mehr als einer Million US-Dollar (exklusive Wert des Hauptwohnsitzes), oder Personen mit einem jährlichen Einkommen von mehr als 200.000 US-Dollar. Einige Unternehmen und Institutionen (beispielsweise Banken, Versicherungen, Stiftungen etc.) konnten auch als eingetragene Investoren fungieren, die Mindest-Asset-Anforderungen waren dabei in der Regel höher. Der Jumpstart Our Business Startups Act oder auch JOBS Act hat diese Regelungen gelockert. Das Gesetzt erlaubt es jedem Unternehmen bis zu einer Million US-Dollar durch Kleinanleger einzusammeln. Dadurch soll die Kapitalbeschaffung für kleine und junge Unternehmen mittels Crowdfunding erleichtert werden.

 

Wäre denn Equity-Funding in Zukunft eine Option für Ihre Plattform?

Liz Wald: Bei den meisten Projekten auf unserer Plattform lohnt sich Equity-Funding nicht wirklich. Wir unterteilen die Projekte in drei Kategorien. In die Unternehmer-Kategorie fallen beispielsweise Projekte wie die Panono-Kamera. Die Firma könnte sich nun, nachdem sie 1,2 Millionen eingesammelt hat, auf die Suche nach weiterem Kapital machen, weil eine ganze Reihe von weiteren Produkten und insgesamt eine weitere Entwicklung des Unternehmens möglich ist. Dann haben wir die Kreativ-Kategorie, worunter Filme, Bildbände, Musik-CDs und so weiter fallen. Und zuletzt die Wohltätigkeits-Kategorie, in der eine Kapitalbeteiligung gar nicht möglich ist. Die meisten unserer Projekte werden aus Leidenschaft unterstützt. Die Leute geben entweder Geld, weil die Leute den Projektinhaber kennen, oder weil sie die Idee oder das vorgestellte Projekt cool finden. Und letztendlich war jeder Banker oder Anwalt früher in der Schule Schlagzeuger oder Schauspieler. Diese Leute wollen kreative Projekte unterstützen und tun es mit Freude.

Was bedeutet Internationalisierung bei einem Unternehmen, das seine Geschäfte beinahe vollständig im Internet abwickelt?

Liz Wald: Wir wollen es Leuten beispielsweise erleichtern, ihre Projekte in mehreren Sprachen gleichzeitig verfügbar zu machen. Wir wollen außerdem den Geldtransfer vereinfachen, indem wir außer Paypal noch andere Bezahlmöglichkeiten zur Verfügung stellen, beispielsweise Sofort Banking.

Braucht man dafür Dependancen in den einzelnen Ländern?

Liz Wald: Ich denke nicht, dass dafür unbedingt Büros nötig sind. Wir haben bislang beispielsweise einen Kollegen in Kanada und einen Kollegen in Brasilien. Nach meinem momentanen Besuch in Berlin werden wir hoffentlich auch jemanden in Deutschland haben. Natürlich geht es hier um das Internet, und es muss nicht überall jemand von uns präsent sein. Aber in einigen größeren Ländern ist es sinnvoll, einen Repräsentanten zu haben, der unsere Ziele und unsere Ideen kommuniziert. Die Kundenzufriedenheit ist uns auch sehr wichtig. Deswegen haben wir mehrere Muttersprachler in den USA, unter anderem auch einen Deutschen, der den @indiegogoDE-Twitteraccount betreut.

Ihr Fokus in Deutschland liegt momentan auf Berlin. Warum?

Liz Wald: Berlin ist uns besonders wichtig, weil hier zum einen eine riesige Kunstszene floriert, zum anderen entwickelt sich der Technologiesektor rasant. Außerdem sitzen hier auch viele Investoren. Deswegen ist es für uns wichtig, vor Ort zu sein, von uns zu erzählen, Leuten zu erklären, dass sie die Möglichkeit haben, jetzt sofort eine globale Kampagne für ihr Projekt zu starten. Der europäische Markt ist zusammengenommen wesentlich größer als der US-Markt. Und ich denke, dass man in Europa viel weiter ist als in den USA: Die Leute reden in Europa bereits ganz konkret über Crowdfunding und Equity-Based Funding, während es in den USA noch nicht jedem möglich ist, in Unternehmen zu investieren, weil der JOBS Act eben noch nicht vollständig verabschiedet ist.

Wo sind die Regulierungen strenger – in den USA oder in Europa?

Liz Wald: Da es bei uns bisher um Reward-Based Crowdfunding geht und nicht um Equity-Based Funding, sind die Regeln letztendlich die gleichen wie in den USA. Bislang ist es so, dass man einen Vertrag mit Indiegogo USA abschließt, wenn man ein Projekt bei uns startet – unabhängig davon, woher man kommt.

Warum sollte beispielsweise ein deutsches Start-up eine Kampagne auf Indiegogo starten und nicht auf einer deutschen Plattform?

Liz Wald: Da gibt es mehrere Gründe. Zum einen bekommt man bei uns eine globale Reichweite. Vor allem wenn man ein teures Produkt hat, das in der Produktion aufwändig ist, wie beispielsweise Panono, ist es wichtig, nicht nur den deutschen oder europäischen Markt zu erreichen, sondern auch den US-Markt mit 300 Millionen Leuten, den kanadischen Markt, Japan und so weiter. Das bietet Indiegogo an – ganz unbürokratisch, für jeden, überall und jederzeit.

Bei lokalen Anliegen – beispielsweise dem Aufbau eines Parks – würde man vielleicht zunächst an eine lokale Plattform denken. Doch auch hier nützt die immense Reichweite von Indiegogo oft. Beispielsweise gab es vor einiger Zeit einen Fall in Australien. Eine Fast-Food-Kette wollte in einem kleinen Örtchen eine Filiale direkt neben eine Schule bauen. Die Bürger wehrten sich dagegen. Lokal sammelten sie zunächst 2.000 Dollar ein. Über Indiegogo aber gelang es ihnen später, 40.000 Dollar einzuwerben. Weil sie ein Anliegen hatten, das auch außerhalb ihres Ortes auf Zustimmung gestoßen ist, und Leute auf der ganzen Welt den Protest des Örtchens unterstützen und finanzieren wollten. Durch die globale Unterstützung hat die Protest-Kampagne natürlich extrem an Gewicht gewonnen und Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen.

Ihre Plattform konnte bereits 190.000 Projekte verzeichnen. Wie viele davon waren erfolgreich – haben also das Funding-Ziel geknackt?

Liz Wald: Wir legen keinen Wert auf Erfolgsquoten. Bei uns hat jeder die Möglichkeit, Geld einzusammeln. Wir haben ja flexible und feste Zielbeträge. Unabhängig davon, ob das Funding-Ziel erreicht wird oder nicht, kann man das Geld ausgezahlt bekommen. Außerdem ist eine Crowdfunding-Kampagne in jedem Fall ein Gewinn, weil man dadurch Aufmerksamkeit erreicht und sehen kann, wie gut ein bestimmtes Produkt ankommt.

Haben Sie eigentlich ein Lieblingsprojekt?

Liz Wald: Ich habe meine eigene Kampagne, mit der ich arbeitende Frauen in Kriegsgebieten auf der ganzen Welt unterstütze. Weil ich glaube, dass man auch dadurch Frieden stiften kann, dass man Leuten zeigt, wie man wirtschaftliche Sicherheit erreichen kann. Das Projekt nennt sich Bpeace. Ein Projekt, das mich begeistert hatte, noch bevor ich bei Indiegogo gearbeitet habe, war The Ocean Cleanup. Es wurde von dem damals 18-jährigen Boyan Slat ins Leben gerufen. Er hatte eine Idee, wie man die Unmengen an Plastikmüll, der in den Ozeanen schwimmt, aufsammeln und weiterverwerten kann. Für seine Machbarkeitsstudie konnte er über unsere Plattform über 80.000 Dollar einsammeln. Und ich bin nach wie vor hin und weg von diesem tollen Projekt.

Inwiefern ist der Projektinhaber beziehungsweise sein geistiges Eigentum auf Ihrer Plattform geschützt?

Liz Wald: Gar nicht! Es ist das Internet. Doch wenn wir oder die Crowd merken, dass es bei einem Projekt nicht mit rechten Dingen zugeht, dann haben wir das Recht, das Projekt zu beenden. Wenn sich also beispielsweise jemand meldet, der die Rechte an einem bestimmten Projekt hat. Oder wenn irgendeine Art von Betrug vermutet wird, dann bekommen wir das schon mit. Dafür sorgen zum einen unsere komplexen Algorithmen, zum anderen unser Team, das sich jedes Projekt genau anschaut, und letztendlich die Crowd, die aus Millionen von Leuten besteht und natürlich alles sieht. Unregelmäßigkeiten und zwielichtige Aktivitäten fallen bei einem so umfangreichen Publikum immer auf. Man muss außerdem bedenken, was Betrug bei einer Crowdfunding-Kampagne für einen bedeuten würde, nämlich gesellschaftlichen Selbstmord. Jeder Projektinhaber spricht erst die Leute in seinem näheren Umkreis an, die er persönlich kennt. Ein Betrug ist daher meines Erachtens sehr unwahrscheinlich.

Wie sehen nun Ihre nächsten Schritte in Europa aus?

Liz Wald: Einer der nächsten Schritte ist wie gesagt ein lokaler Vertreter, der unsere Botschaft nach außen trägt: wie Crowdfunding funktioniert, was die Vorteile einer globalen Plattform sind, wie man eine gute Kampagne startet, die am Ende auch erfolgreich ist. Wir überlegen auch, eine Repräsentanz in Europa zu eröffnen, doch dazu kann ich noch nichts Konkretes sagen. Unser wichtigstes Ziel ist es jedoch, die Akzeptanz für Crowdfunding zu erhöhen. Vor 15 Jahren konnte sich kaum jemand vorstellen, online einzukaufen – heutzutage ist es normal. Leute kaufen sogar Aktien online. Crowdfunding ist das nächste große Ding und eine logische Konsequenz aus der bisherigen Entwicklung.

Vielen Dank für das Interview!

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Lena Ostrovskih