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Gier: Der Facebook-Skandal

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23. Mai 2012

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Gier: Der Facebook-Skandal

Wir werden vermutlich nie die genauen Hintergründe erfahren. Fakt ist: Der Erstausgabepreis von Facebook war unverantwortlich hoch. Die Banker der emittierenden Institute und die Alteigentümer haben abkassiert und künftige Erstausgaben von Aktien belastet.

An der Börse geht es viel zu häufig um Superlative. Der Börsengang von Facebook war der größte Technologiebörsengang aller Zeiten. Eingesammelt wurden 16 Milliarden US-Dollar, nachdem nur kurz zuvor fünf Milliarden eingeplant waren. Begleitet wurde der Börsengang des Unternehmens von einer Panne an der US-Technologiebörse NASDAQ. Jetzt sieht es nach dem größten und schnellsten Flop der Börsengeschichte aus. Wer weiß schon, ob der Ausgabepreis nicht einfach nur deshalb mit 38 US-Dollar angesetzt war, um eine theoretische Börsenkapitalisierung von 100 Milliarden Dollar zu überschreiten. 30 bis 50 Milliarden wären bereits teuer genug gewesen. Aber Ansteckung ist nicht selten an der Börse. Das Video zeigt ein Interview kurz vor dem Börsengang.

Zweifel

Das Geschäftsmodell von Facebook geriet ausgerechnet kurz vor dem Börsengang in die Kritik. General Electric meldete grundsätzliche Bedenken an der Effektivität an. Zumal viele Nutzer inzwischen mobile Geräte nutzen, die keine klassische Werbung ermöglichen. Damit steht Facebook aus Sicht vieler Beobachter unter dem Zwang, sein Geschäftsmodell für die Zukunft überdenken zu müssen. Das Unternehmen setzt bisher auf freie Verfügbarkeit und Werbeeinnahmen. Damit tritt Facebook bei Werbegeldern als Konkurrent von Platzhirsch Google auf. Immerhin: Zuckerberg hat bereits mit dem Kauf einer 13-Mann-Bude reagiert und dafür eine Milliarde Dollar mit Aktien und Bargeld bezahlt. Sorry, das war unpräzise: Die Erstzeichner von Facebook haben den Deal bezahlt.

Auch dürfte Facebook zumindest bei der Bekanntheit und den Userzahlen bald an natürliche Grenzen stoßen: Schon heute ist die Zahl der weltweiten User vermutlich fast ausgereizt: Auf der Erde leben jedenfalls zurzeit etwas mehr als sieben Milliarden Menschen. Facebook geht stramm auf die Gesamtnutzerzahl von einer Milliarde zu. Aber vielleicht will Zuckerberg bald Ausserirdische mit Profilen für seine Website gewinnen. Das soziale Netzwerk muss jetzt erstmal zeigen, wie man aus der Bekanntheit im Netz Profit und Wachstum generiert. Fakt ist: Die Zahl der geschalteten Werbebanner wächst nicht im gewünschten Tempo.

Die Aufschläge auf einen vernünftigen Börsenkurs – Premium genannt – sind im Fall von Facebook ohnehin sehr hoch und bieten wenig Luft nach oben. Erstanleger zahlten den 100-fachen 2011er-Gewinn für die Aktie. Apple und Google sind um die Faktoren(!) fünf bis acht günstiger zu haben. Damit die Mondzahlen von Facebook überhaupt gerechtfertigt werden können, müsste der Unternehmensgewinn genauso wachsen wie seine Zugriffszahlen in der Vergangenheit. Genau das scheint jedoch nicht zu gelingen.

Henry Blodget, selbst ein gefallener Star der New Economy, rechnete diese Zusammenhänge auf seinem Blog bereits im Februar 2012 vor und kommt zu ernüchternden Zahlen. Übrigens: Mark Zuckerberg gab Aktien im Wert von einer Milliarde US-Dollar ab und DST Global und Accel Partners, zwei Risikokapitalgeber des Unternehmens, kassierten jeweils zwei Milliarden US-Dollar ab. Goldman Sachs machte ebenfalls schon mächtig Kasse.

Panne: Banken verspielen erneut Vertrauen

Morgan Stanley hatte offenbar zuletzt Zweifel an den Umsatz- und Ergebniserwartungen. Das Geldinstitut revidierte die eigene Prognose bereits während der Werbephase der Roadschow. Vermutlich hat ein Insider bei Facebook Zweifel angemeldet. Was die Gemüter jetzt erregt ist das Verhalten der Bank mit dieser nicht unwichtigen Information. Einige institutionelle Interessenten sind informiert worden, heißt es. Solche Informationen sind gemeinhin Insiderinformationen, die allen Anlegern zur Verfügung stehen müssten. Der Grund für die „Nicht-Information“ scheint in den besonderen Regeln für Börsenkandidaten zu liegen. Die Securities and Exchange Commission SEC und die Financial Industry Regulatory Authority (FINRA) ermitteln allerdings inzwischen.

Für Anleger sind solche juristischen Feinheiten egal: Das Spiel mit Facebook-Aktien scheint unter keinem Aspekt  fair gewesen zu sein.

Zudem dürfte Anlegern in nächster Zeit durch den Facebook-IPO (Initial Public Offering) der Appetit an Börsenneulingen mit Internetkonzept erneut verloren gehen. Zumal es im letzten Jahr schon mehrere andere konzeptlose Neueinsteiger an der Börse gab: Groupon ist ein abschreckendes Beispiel dafür. Das Unternehmen ist wegen seiner aggressiven Expansionsstrategie weiter defizitär und kam im November für 20 Dollar auf den Markt inzwischen ist das Papier nur noch etwa 50 Prozent des Ausgabepreises wert. Oder kennt jemand hierzulande Renren? Das ist eine Art chinesisches Facebook, das seit Ausgabe 75 Prozent verlor und immer noch zu teuer ist (Kurs-Gewinn-Verhältnis von 45).

Die Folgen der Gier

Die Internetbuden, die in den USA an die Börse gebracht wurden, waren sämtlich überteuert. Die Folge davon ist nicht nur, dass einige Jungspunde jetzt sehr reich geworden sind, sondern in Zukunft werden anderswo die Anforderungen an neue Konzepte wieder steigen und manche gute Idee bleibt dann auf der Strecke. Der Neue Markt hat hierzulande ein ganzes Jahrzehnt Gründern das Heranreifen von neuen Geschäftsideen erschwert. Das droht jetzt in den USA erneut, da zu viele unreife Unternehmen an den Markt gebracht wurden.

Vermutlich noch ärgerlicher dürfte für manche Anleger die Tatsache sein, das im vorauseilenden Eifer manche Indexanbieter Facebook mit einem hohen Gewicht in ihre Indizes eingerechnet haben. Auch hier sollten die Verantwortlichen ihre bisherige Politik überdenken. Der Börsengang von Facebook ist jedenfalls ein Schlag ins Gesicht von technikaffinen Anlegern, die so indirekt zur Kasse gebeten werden. Blöd gelaufen, wegen der Gier weniger.

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Die  Inside Story zu Facebook.

Artikelbild: Dislike-Button. Bei Facebook verpönt.

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Der Autor

Thorsten Cmiel

Thorsten Cmiel ist Chefredakteur von Investment Alternativen. Der studierte Ökonom ist seit über 15 Jahren als Finanzjournalist und Buchautor tätig.